Wege der Ganzwerdung

Brigitte Müller – Horst Günther: Heile Dich selbst

Verlag Peter Erd, München, 252 Seiten, 15,90 Euro
veröffentlicht im Reiki-Magazin Nr. 3/4, Oktober 2000

mueller1 Schon mindestens 19 Auflagen hat dieses Grundlagenbuch über Reiki erlebt. Kein Wunder, ist es doch von Deutschlands bekanntester Reiki-Meisterin Brigitte Müller in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls sehr erfahrenen Horst Günther verfaßt worden.

Allein das Vorwort "Die Welt braucht Reiki" von Peter Heitkämper, Professor an der Universität Münster, der gleich zu Anfang den Anwendungsreichtum von Reiki, seine Möglichkeiten und Grenzen aufzeigt, lohnt bereits den Kauf dieses Buches. Im einleitenden "Was ist Reiki?" erklären die AutorInnen einen der wichtigsten Aspekte von Reiki, der sich als roter Faden erweist und zum Buchtitel führte: "Durch die Übertragung von Reiki werden die Selbstheilungskräfte erweckt, denn jeder Mensch heilt nur sich selbst."

Dem folgt die Reiki-Legende mit Bildern der GroßmeisterInnen. Ein mulmiges Gefühl hinterlassen bei mir die Lebensregeln: Während die Originalversion in den Text eingebettet ist, wird die Version der AutorInnen, die mir weniger klar erscheint, schön gestaltet auf einer Extraseite präsentiert.

Ein weiterer Highlight dieses Buches ist ein Auszug aus einem Interview, das "The Times" 1975 mit Hawayo Takata geführt hat, gefolgt von zweien ihrer Rezepte. Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr mich der Geist von Frau Takata, die Einfachheit und Klarheit, mit der sie über Reiki spricht, berührt und erreicht.

Mit dem Kapitel "Wie erhält man die Reiki-Heilkraft?" schließt dann der erste Buchteil "Reiki – Geschichte und Gegenwart". Es wird erklärt, wie die Einweihung in die ersten beiden Grade verläuft und was dabei geschieht. Zudem gibt es einen kurzer Exkurs "Der Weg zum Reiki-Meister". Damit haben die AutorInnen auf 43 Seiten alle wesentlichen Informationen fundiert und verständlich weitergegeben und gehen nun zum zweiten Teil, der Praxis, über.

Hier geht es also um die Form, in die Reiki gegossen wird. Aussagen wie: "Dabei ist es nicht notwendig, die Reihenfolge der Positionen genau zu beachten", können allerdings zur Vernachlässigung dieser Form verführen. Lobenswert hingegen Hinweis – den man gar nicht oft genug geben kann – auf die Wichtigkeit der Selbstbehandlung: "Zuerst sollten wir uns selbst lieben und heilen, denn wir können nur das anderen geben, was wir bereit sind, uns selbst zu geben." Mit Sätzen wie "Reiki ist der Lehrer" sind die AutorInnen immer wieder nahe am Geist Takatas.

Bei der folgenden Darstellung der Handpositionen werden Selbstbehandlung (17 Grund- plus Sonderpositionen) und Ganzbehandlung (21 Grund- plus Sonderpositionen) großbebildert erklärt. Dabei erhalten die Positionen kurze Codes wie K2A, wobei die Aufteilung in A- und B-Positionen ohne Erklärung genausowenig nachvollziehbar ist wie das Fehlen einer Position R2 bei der Selbstbehandlung. Die anatomischen Skizzen von Mensch und Tier helfen sicher manchen Reiki-Praktizierenden, die Lage innerer Organe zu erkennen.

Zwischen den beiden erwähnten Behandlungsformen werden Empfehlungen dazu gegeben. Auch hier zeigt sich wieder die langjährige Praxis von Brigitte Müller und Horst Günther. Allerdings irritieren mich Aussagen wie: "Die Heilwirkung verstärkt sich durch den Glauben des Gebenden". Diese widerspricht obendrein dem auf derselben Seite zu findenden Satz: "Der Reiki-Gebende ist nur Kanal und hat somit keinen Einfluß auf das Behandlungs-Resultat." Auch stehen vielfältige, scheinbar unergiebige Handlungsanweisungen wie "die Beine nicht kreuzen" im Widerspruch zu Takatas "Halte es einfach". Und wenn schon detailliert, dann richtig. Sollte ich Sätze wie "Benutze eine Decke und lege ein sauberes Kleenex-Tuch über die Augen" umsetzen wollen, dann hätte ich als Reiki-Gebender leichte Probleme, die Handpositionen zu finden… Sehr hilfreich und stimmig sind wiederum die Hinweise auf "Besondere Wahrnehmungen und Reaktionen bei Reiki-Behandlungen".

Im Anschluß an die Ganzbehandlung folgen viele kleine Kapitel. Unter den Überschriften "Erste Hilfe mit Reiki", "Kurzbehandlung", "Chakra-Harmonisierung" und "Gruppen-Behandlung" werden weitere Formen sehr gut dargestellt. Wenn hier noch die klassische 3er-Form (ein Empfangender, zwei Gebende) erklärt werden würde, wäre es wirklich rund.

Dann wird auf besondere Empfängergruppen näher eingegangen: Auf werdende Mütter und Babies, Alte und Sterbende, Tiere, Pflanzen, Mineralien oder Speisen. Dabei kommt gerade das reichhaltig bebilderte Kapitel über Reiki mit Tieren dem Bedürfnis vieler Praktizierender entgegen.

Nachdem der Fernbehandlung eine Seite gewidmet wird, geht es tiefer in die Esoterik: "Das universelle Gesetz des Gebens und Empfangens" wird erklärt. Dieser Exkurs über "Energieaustausch" ist sehr wichtig und angebracht. Andererseits vermisse ich den Hinweis auf die Möglichkeit, eine Behandlung zu schenken, da gerade in Freundschaften Geben und Empfangen nicht ständig aufgerechnet werden sollte.

Der Untertitel "Mit Reiki zum Weltfriede auf unserer Erde" wird mit nur einem winzigen Reiki-Eintrag seinem Titel nicht gerecht. Meine völlige Zustimmung findet die Einleitung, in der darauf hingewiesen wird, daß Frieden in einem selbst beginnt. Der abgedruckten "Welt-Heilungs-Meditation" von Brigitte Müller stehe ich aus urchristlicher Sicht allerdings skeptisch gegenüber. Ich empfinde sie als weit entfernt von der Demut des "Dein Wille geschehe". Und die ständig wiederkehrenden Verweise auf weitere Publikationen von Brigitte Müller innerhalb des Peter-Erd-Verlages wirken an dieser Stelle ein wenig aufdringlich.

Mit "Reiki zu Vitalisierung" wird dann wieder zum grobstofflichen Bereich übergeschwenkt und für bestimmte Beschwerden entsprechende Schwerpunkt-Positionen aufgelistet. Dann geht es um "Reiki zur Unterstützung anderer Therapiefomen sowie alternativer Heilweisen". Gerade im Hinblick darauf, daß die Gliederung des zweiten Teils dieses Buches spätestens an dieser Stelle etwas zerfasert, erscheint dieses Kapitel überflüssig. Denn die grundlegenden Informationen wurden bereits an anderer Stelle genannt und das vorgestellt Farbfolien-System steht in keinem Zusammenhang mit Reiki. Wesentlich interessanter ist da der Abschnitt "Kirlian-Fotografie und Reiki" aufgrund möglicher Nachweise über die Wirkung der Lebensenergie.

Es folgen die persönlichen Wege und Erlebnisse der AutorInnen mit Reiki. Dabei steckt der Lebensweg von Brigitte Müller prallvoll mit "positiven Vibrations". So sehr mich der Reiki-Weg von Deutschlands dienstältester Reiki-Meisterin interessiert, so sehr schreckt mich andererseits der inflationäre Gebrauch des Wortes "Liebe" ab, da es einfach zu plakativ erscheint. Eher annehmen kann ich den Bericht Horst Günthers, da auch er von Herzen kommt, aber weniger abgehoben erscheint. Diese beiden Beiträge stellen einen guten Übergang zum dritten Teil "Authentische Erlebnisberichte" da, dem sie im Grund angehören müßten.

Als erstes antworten Seminarteilnehmer auf Fragen wie "Was war Dein besonderes Erlebnis?" oder "Wie hast Du Reiki empfunden?". Sie erzählen von ihrem Weg zu Reiki oder geben Berichte von Reiki-Behandlungen. Dabei erhalten Behandlungs-Erlebnisse mit Tieren, Pflanzen und Gegenständen bzw. die Erfahrungen mit dem 2. Grad ein eigenes Kapitel – im Gegensatz zu den vorhergehenden Behandlungsberichten. Insgesamt ist dieser dritte Teil sehr bereichernd, macht auf wundervolle Art Lust auf Reiki und ist zumeist recht durchdacht aufgebaut.

Im Anhang finden sich Adressen, Literatur- und Musikempfehlungen und – in den Neuauflagen des Buches seit September 1997 – ein wichtiger Hinweis für Menschen, die trotz des Besuchs von Reiki-Seminaren keine Veränderung in den Händen spüren oder keine Heilungserfolge erleben.

Zusammenfassend läßt sich sagen: meine Kritik an diesem Buch beruht vor allem auf Schwächen in der Gliederung, manchen Widersprüchen und der phasenweise aufdringlichen "Licht & Liebe"-Botschaft. Dies sollte keineswegs den Blick darauf verstellen, daß es sich hier um ein sehr fundiert und kompetent geschriebenes Grundlagenbuch über Reiki handelt, das ich ausdrücklich allen empfehlen kann, die Interesse an Reiki haben oder nach dem Besuch eines Seminars zum ersten Grad ihr Wissen vertiefen möchten.

 

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Frank Doerr

Veröffentlicht von

Intensive Reiki-Praxis seit 1993 und beständige Fortbildung. 1998 Reiki-Meister der 6. Generation in der Linie Usui – Hayashi – Takata – Furumoto – Kindler. Von 1994 bis 2009 Mitarbeiter beim Reiki-Festival. 1996 im Gründungsteam des Reiki Magazins, seitdem Redaktionsmitglied bzw. freier Mitarbeiter. Seit 1999 Chefredakteur von Reikiland.de. Veranstalter der ReikiCon (seit 2010) sowie Gründungsmitglied von ProReiki. Publikationen: Die Reiki-Lebensregeln (Windpferd 2005), Das Reiki-Meister-Buch (Windpferd 2007). CD mit Merlin's Magic: Reiki-Elixier inkl. Booklet (Windpferd 2007).

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