Wege der Ganzwerdung

Michael Dieckmann: Ich bin berührt – Reiki oder die Schule des Lebens

Dieckmann - Reiki Schule des LebensGoldmann Verlag, München, 2008, 320 Seiten, 7,95 €

Peter Michael Dieckmann ist Hauptkommissar der Kriminalpolizei; er
hatte zunächst mit Spiritualität und Reiki nichts am Hut, ist aber nun
begeisterter Reiki-Praktizierender und Reiki-Meister und hat ein recht
persönliches Buch zu Reiki geschrieben: “Ich bin berührt – Reiki oder
die Schule des Lebens”.

Er möchte mit seinem Buch darstellen, wie er selbst Reiki versteht und vermittelt und damit erreichen, dass der Begriff “Reiki” mit “Liebe, Vergebung und Verantwortung” in Verbindung gebracht wird, statt mit geheimen, esoterischen Praktiken und Symbolen. Ein löbliches Anliegen, das von Dieckmann mit Schwung und in sich schlüssigen Verknüpfungen seiner Gedankengänge vorgetragen wird, in einem Buch voller interessanter Gedanken, sowie Gedichten und Meditationen des Verfassers, mit denen dieser in seinen Reiki-Seminaren arbeitet.

Zahlreiche Anekdoten aus dem Leben eines “harten Bullen”, so Dieckmanns Selbstbeschreibung, geben streckenweise den Ton und die Ausrichtung des Buches an, nicht immer frei von Koketterie (“war meine flüssigste Handbewegung…das Ziehen meiner Dienstpistole”) und mitunter auch eher unpassend bzw. in die Irre führend; so etwa, wenn eine Reiki-Einweihung mit dem Eintreten einer Tür bei einem polizeilichen Einsatz verglichen wird, wobei ein (…) erforderlicher zweiter Tritt “ihr den Rest” gebe.

Viele der Verknüpfungen scheinen zunächst einleuchtend. Der Aufbau des Buches folgt dabei den drei Graden des Reiki, für Dieckmann vergleichbar den Stationen eines Weges: Liebe, Vergebung, Verantwortung, wobei letztere das Meisterthema schlechthin sei. Viel Gewicht legt Dieckmann dabei auf alles, was mit Verantwortung zusammenhängt, wobei er immer wieder betont, dass jeder für sich selbst und allein für sich verantwortlich ist, denn das, was man aussende, komme zu einem zurück. Kein sonderlich neues Gedankengut, doch ergänzt um einen Aspekt, der in der esoterischen Szene und auch in der Reiki-Welt zuweilen vergessen wird – nämlich, dass gesunde Gedanken nicht zwangsläufig einen gesunden Körper nach sich ziehen und dass ein glückliches Leben nicht gleichbedeutend mit einem bequemen ist.

Dieckmanns Ansichten über Reiki können erfrischend sein, doch manche kann ich so nicht nachvollziehen: etwa da, wo Reiki gleichgesetzt wird mit Gott oder dem Heiligen Geist und Reiki-Praktizierende mit den Jüngern Jesu, ebenso angefeindet wie jene. In seiner Argumentation schießt Dieckmann zuweilen übers Ziel hinaus, etwa da, wo er behauptet, dass Jesus von seinen Jüngern die Beichte – und das täglich – erwartet habe. Hier wird der Verfasser leicht dogmatisch, und man merkt, dass er in der katholischen Kirche verwurzelt ist oder zumindest war; die feste Einrichtung der Beichte stammt aus dem 4. Jahrhundert und wurde erst im 13. Jahrhundert von der Kirche eingesetzt und gefordert.

Kritisch werden Dieckmanns Gedanken besonders da, wo er behauptet, dass Fernheilung “niemals schaden” könne, man also “ohne Bedenken loslegen” dürfe. Einspruch, Euer Ehren! Das bedeutet, die komplette Verantwortung für den Eingriff – und Energie senden ist ein Eingriff – auf den Empfänger abzuwälzen, gemäß dem Gedanken: Was kümmert’s mich, was der andere damit macht? Das Gegenteil von gut ist gut gemeint – dieser saloppe Spruch trifft es hier. Denn nicht umsonst gibt es den Grundsatz von der Verantwortung des Heilers, der sich hüten wird, ungefragt und ungebeten einzugreifen. Dieckmann ist sich der Verantwortung doch bewusst, etwa da, wo er von der Macht des Wortes schreibt, das zerstören oder heilen kann, und dies abhängig von dem, der es spricht.

Auch die sorglose Behauptung, eine Einweihung in Reiki sei eigentlich unnötig, da jeder es nur wollen müsse, und schon könne er heilende Energie aussenden, schreit nach Widerspruch.
Zudem folgt ihr unmittelbar, dass eine Einweihung in die Reiki-Grade nötig sei, um den Menschen zu öffnen für das universelle Licht; und wenn nicht anders, dann müsse “die Tür zum Himmel” eben “eingetreten werden…”.

Zudem torpediert Dieckmann seine und anderer Arbeit als Reiki-Lehrer damit, dass er einerseits behauptet, Symbole und Einweihungen seien im Reiki nicht nötig, denn es gehe auch ohne, andererseits aber in seinem Buch die Reiki-Symbole des zweiten und dritten Grades veröffentlicht (zudem nicht alle korrekt wiedergegeben und übersetzt). Den Sinn dieser Veröffentlichung kann ich daher nicht nachvollziehen, schon gar nicht vor dem Hintergrund der Argumentation, dass allein die Absicht entscheidend sei, um “Kontakt herzustellen”, ob es sich nun um ein Gebet oder um eine Fernheilung handelt. Wenn die Symbole so irrelevant sind, warum sie dann veröffentlichen?

Wenn es nicht nötig ist, jemanden einzuweihen, damit er Reiki-Kanal sein kann, sondern jeder, der nur feste genug will, Kanal für Heilungsenergie sein könne – dann verstehe ich nicht, warum der Verfasser behauptet, ein Reiki-Buch zu schreiben. Denn laut Dieckmann ist alle Energie dasselbe “ewige Licht”, demnach wäre die Definition “Reiki” eigentlich überflüssig.
Das vorliegende Buch ist in Bezug auf die von Dieckmann an sich selbst gestellten Anforderungen weder Fisch noch Fleisch. Das ist schade, denn manche der darin enthaltenen Gedanken, etwa die zum Körper als Tempel des Göttlichen (der Apostel Paulus lässt grüßen) und Organ der Seele oder zum Selbstbild sind wirklich gut und nachdenkenswert.

Erstveröffentlichung der Rezension im Reiki Magazin 4/08

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Franziska Rudnick

Veröffentlicht von

Franziska Rudnick praktiziert seit 1996 Reiki und wurde 2010 in England zur Reiki-Meisterin eingeweiht. Franziska ist Redakteurin des Reiki-Magazins. Ihr Buch "Heilende Begegnung", das 12 unterschiedliche Geistheiler portraitiert, ist 2012 im Windpferd-Verlag erschienen.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich hatte auf der einer Messe eine schülerin von Herrn D. an meinem Stand, die sich arrogant darüber lustig machte, wie rückständig wir seien, da wir ja “noch” mit den Usui (das Wort hat sie beinahe gespuckt)Symbolen “rumhantieren”, sie hätte ja “eigene” Symbole etc. blablabla … ich hab ihr gesagt, dafür gibts ein nettes Wort: Größenwahn! Wenn das ein Ergebnis von Liebe und Vergebung war, dann aber mal schnell die Yin Chakras bearbeiten, denn das, was da an meinem Stand abging war arrogantes Machtgehabe pur. Das dann zum Thema Verantwortung des Lehrers!!!
    Das Buch ist modern und nett geschrieben, stellenweise recht witzig und kein Eso-Einheitsbrei, strotzt aber von Halbwissen bzgl. Energiearbeit, Reikisymbolen etc.
    Sorry, nicht mein Ding!

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